Alle Jahre wieder Kind sein | Kolumne 1/2022

Ostern

Einmal im Monat erscheint auf „Bauch mit Köpfchen“ eine Kolumne. Caroline schreibt über ihren Alltag und Geschichten, die das Leben schreibt. Oft sind es die kleinen Dinge, die sie zum Nachdenken bringen und genau diesen widmet sie sich.

Alle Jahre wieder feiern wir im Frühling Ostern. Während in den letzten beiden Jahren Ostern ganz im Zeichen von Lockdowns stand, konnte dieses Jahr ausgelassen gefeiert werden. Sogar der Wettergott meinte es in meiner Heimat unverhofft gut – zumindest am Ostersonntag strahlte uns die Sonne entgegen.

Die Vorbereitungen laufen

Alle Jahre wieder kommt bei uns vorab die gleiche Frage auf: Soll es zusätzlich zur Osterjause auch eine Ostersuche geben? Falls du jetzt empört die Hände über dem Kopf zusammenschlägst, wie wir nur überlegen können, die Suche für die Kinder ausfallen lassen können: Auch das letzte „Kind“ in der Runde ist mittlerweile volljährig. Urenkelkinder sind weit und breit keine zu sehen.

Alle Jahre wieder werden wir dennoch von meiner Oma gefragt, ob wir tatsächlich eine Ostersuche wollen. Als Suggestivfrage – versteht sich. Alle Jahre wieder versuche ich zu verneinen und sage, dass wir doch schon groß seien und sie sich keine Arbeit machen müssen. Dennoch besteht Oma jedes Jahr wieder darauf – irgendein ein Enkelkind hat sicher ja gesagt – und Opa spielt den Osterhasen für die großen Enkelkinder.

Alle Jahre wieder läuft das dann ungefähr so ab: Opa gibt uns einen Bereich im riesigen Garten vor, wo wir uns bewegen dürfen. Die Verstecke werden sorgsam ausgewählt: gelbes Ei zu gelben Blumen, violettes Ei zu violetten Blumen, grünes Ei ins Gras. Alle Jahre wieder fehlt zumindest ein Ei. Es bleibt immer ein Mysterium, ob Opa sich verzählt hat oder wir es einfach nicht gefunden haben. Manchmal taucht das verschollene Ei irgendwann im Sommer im Garten auf und das Rätsel wird so doch noch gelöst.

Wann hört man eigentlich auf einfach loszulaufen? Sich zu alt zu fühlen, um Spaß daran zu haben Ostereier zu suchen?

Auf die Plätze, fertig, los!

Schon kurz vor dem Start wird vorsichtig Ausschau gehalten, wo denn etwas versteckt sein könnte. Körbchen zum Einsammeln werden verteilt. Alle Jahre wieder laufen wir los, als wären wir wieder fünf Jahre alt. Ohne Rücksicht auf Verluste, denn immerhin will jede*r am meisten finden. Die Nachbarin, die uns schon von klein auf kennt, schaut uns belustigt zu, wie wir uns alle wieder in die Kinder von damals verwandeln. Vielleicht der einzige Unterschied zu damals: Am Ende teilen wir großzügig mit allen und niemand bricht in Tränen aus.

Das Lachen schallt durch den Garten und dieses Jahr merke ich besonders, wie das die letzten beiden Jahre gefehlt hat. Einfach wieder Kind sein dürfen und das mit knapp 30. Was gibt es Schöneres? Und ich frage mich: Wann hört man eigentlich auf, einfach loszulaufen? Sich zu alt zu fühlen, um Spaß daran zu haben, Ostereier zu suchen?

Zwischen Freude und Enttäuschung

Ich versuche mich zu erinnern, wie lange ich an den Osterhasen geglaubt habe. Doch die Erinnerung ist verschwommen und der Übergang ist fließend – von der völligen Überzeugung, dass es den Osterhasen gibt, über erste Zweifel, bis hin zur Enttäuschung, dass tatsächlich Eltern und Großeltern nur Osterhasen gespielt haben.

Wäre es besser gewesen, den Osterhasen nie vorgespielt zu bekommen? Definitiv nein! Wie sonst könnte man mit 20, 30 oder 40 plötzlich wieder Kind sein für ein paar Minuten, die Kontrolle abgeben, die Illusion genießen. Nein, alle Jahre ohne die Vorstellung gewesen zu sein, will ich mir nicht vorstellen. Am Ende ist unsere Wahrheit doch immer die, die wir uns selbst gestalten und die wir in unserer Erinnerung abgespeichert haben. Alle Jahre wieder den Osterhasen zu suchen, war als Kind meine Wahrheit und dieses Gefühl ist tief in mir drinnen konserviert. Alle Jahre wieder hole ich dieses Gefühl hervor und darf wieder Kind sein.

Vielleicht geht es dir wie mir. Vielleicht hast du aber auch eigene Kinder und das schlechte Gewissen packt dich, dass du ihnen wegen dem Osterhasen etwas vormachst. Vielleicht hegen deine Kinder bereits erste Zweifel oder sind noch vom letzten Ostern enttäuscht, weil sie herausgefunden haben, dass es den Osterhasen nicht gibt.

Ich bin mir jedenfalls sicher: Auch sie werden alle Jahre wieder das Gefühl haben, wieder Kind sein zu dürfen und sich an ihrer Erinnerung wärmen können. An den Osterhasen geglaubt zu haben, schweißt irgendwie zusammen und – egal ob geprägt von Teenie-Hormonen oder dem Bedürfnis sich erwachsen benehmen zu müssen – ich bin mir sicher, dass es jede*r liebt: Alle Jahre wieder Kind sein.

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