Motherhood Pay Gap – warum Mütter in Österreich zu wenig verdienen

Motherhood Pay Gap

Motherhood Pay Gap bedeutet, dass Mütter weniger verdienen als Väter. In diesem Beitrag erfährst du die Gründe dafür und wie sich das ändern kann. Während Männer nach der Geburt eines Kindes meistens weiter Vollzeit arbeiten, leisten Frauen meist den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Die Folge ist der sogenannte Motherhood Pay Gap, der zu finanzieller Abhängigkeit und Altersarmut führen kann. Zu diesem Thema durfte ich die Direktorin von EcoAustria, Priv.-Doz. Dr. Monika Köppl-Turyna, interviewen. Sie hat in ihrer Forschung die ökonomischen Hintergründe beleuchtet und Handlungsempfehlungen aufgezeigt, um den Motherhood Pay Gap zu schließen.

Motherhood Pay Gap = die Differenz zwischen dem was Mütter verdienen versus dem was Väter verdienen

Monika Köppl-Turyina ist Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria und war zuvor bei Agenda Austria tätig. Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Wien. In ihrer Forschung befasst sich Monika Köppl-Turyna mit unterschiedlichen ökonomischen Themen. Unter anderem hat sie zu den Themen „Motherhood Pay Gap“ und Elementarpädagogik publiziert.

Als Mutter zweier Kinder kennt sie die Herausforderungen vieler Eltern auch persönlich und hat im Laufe ihres Lebens unterschiedliche kulturelle Dimensionen rund um den Motherhood Pay Gap kennengelernt. Sie selbst kommt aus einer polnischen Familie, wohnt in Österreich und hat ihr erstes Kind in Portugal bekommen. Bereits dort ist ihr aufgefallen, dass es in Portugal viel verbreiteter ist, dass man als Frau nach der Geburt eines Kindes wieder arbeitet. Auch der Kindergarten hatte viel längere Öffnungszeiten, wodurch sich Arbeitszeiten flexibler gestalten ließen. Dass in Österreich in dieser Hinsicht noch viel zu tun ist, zeigt ihre Forschung dazu, die in diesem Blogbeitrag im Fokus steht.

Monika Köppl-Turyna
Monika Köppl-Turyna ©Weinwurm

Gender Pay Gap vs. Motherhood Pay Gap

Kaum jemand hat heutzutage noch nicht vom „Gender Pay Gap“ gehört. Der Begriff beschreibt den Umstand, dass Frauen im Durchschnitt nach wie vor schlechter verdienen als Männer. Besonders in Österreich ist der Großteil dieser Differenz ab der Mutterschaft der Frauen zu finden. Monika Köppl-Turyna sieht den Gender Pay Gap allgemein als guten Indikator. Sie weist jedoch darauf hin, dass in der Statistik nicht ersichtlich ist, wenn Frauen gar nicht arbeiten. Das bedeutet, dass etwa Polen und Italien vergleichsweise einen niedrigeren Gender Pay Gap aufzeigen. Das ist allerdings ein Trugschluss, da in diesen Ländern viele Frauen gar nicht arbeiten. In Österreich sind hingegen viele Frauen in Teilzeit tätig. Das alleine bringt jedoch noch kein Aufatmen, denn nach wie vor verdienen Frauen in Österreich weniger als Männer.

Monika Köppl-Turyna hat während ihrer Tätigkeit bei Agenda Austria die Publikation „Der Motherhood Pay Gap. Kinder machen den Unterschied: Warum der Gender Pay Gap eigentlich ein Motherhood Pay Gap ist.“ verfasst. In dieser wird aufgezeigt, dass fast der gesamte Gender Pay Gap in Österreich auf Einkommensverluste während der Karenz und der darauf folgenden Teilzeitarbeit der Frauen zurückzuführen ist. Unter anderem wurde verglichen, wie sich das Einkommen einer typischen österreichischen Frau mit und ohne Kinder entwickelt. Diese prototypische Mutter hat im Vergleich nur 67 Prozent verdient versus der kinderlosen Frau, die ansonsten identische Merkmale aufweist. Zudem wird ein starkes Ost-West-Gefälle ersichtlich. Während die Mutter in Wien 88% verdient, sind es in Vorarlberg nur 72%. In der Studie genannte Gründe sind unter anderem die Ansichten zur Aufteilung der Familienarbeit und das (nicht) Vorhandensein adäquater Kinderbetreuungsplätze.

``Der Großteil des Gender Pay Gap ist in Österreich auf Einkommensverluste während der Karenz und der darauf folgenden Teilzeitarbeit der Frauen zurückzuführen.``
- aus dem Report ``Der Motherhood Pay Gap`` von Agenda Austria -

Teilzeitchance oder Teilzeitfalle?

Nach der Karenz arbeiten die meisten Mütter noch viele Jahre Teilzeit. 52% der Mütter mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren befinden sich in Teilzeitstellen, jedoch auch 48% mit Teenagern zwischen 15 und 18 Jahren. Bei diesen Müttern mit jugendlichen Kindern arbeiten nur knapp 30% in Vollzeit. Als Gründe nennt Monika Köppl-Turyna die vorherrschenden Rollenbilder und die aktuelle Infrastruktur. Österreich ist bei den Rollenbildern in Europa vergleichsweise konservativ eingestellt. Andererseits ist es oft gar nicht möglich, Kinder betreuen zu lassen – vor allem je ländlicher und westlicher man lebt.

Trotzdem sieht Monika Köppl-Turyna auch die Vorteile der Teilzeitarbeit, da es vielen Frauen überhaupt erst ermöglicht, arbeiten zu gehen. Studien zeigen, dass diese Werte an die nächste Generation weitergegeben werden. Es ist wahrscheinlicher, dass die Enkelin arbeitet, wenn auch die Großmutter gearbeitet hat. Trotzdem plädiert Monika Köppl für eine Reduktion der Karenzzeiten und mehr Vollzeitarbeit. Denn lange Teilzeit- und Kinderbetreuungszeiten bedeuten mangelnde Berufserfahrung und Gehaltsvorrückungen. Das resultiert wiederum in einer höheren Armutsgefährdung im Alter.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Gender Pay Gap in Österreich zu einem großen Teil auf die Mutterschaft zurückzuführen ist. Die gute Nachricht ist somit, dass in Österreich Frauen vor der Geburt des ersten Kindes schon ähnlich viel verdienen wie Männer. Die schlechte Nachricht, dass der Motherhood Pay Gap noch zu schließen ist.

Die Wichtigkeit von Elementarpädagogik

Aus unterschiedlichen Studien geht hervor, dass den Österreicher*innen der pädagogische Wert der Elementarpädagogik und frühkindlichen Betreuung nicht bewusst ist. Ganz im Gegenteil: In einer Studie aus dem Jahr 2020 gaben 50% der Frauen im Alter von 35 bis 44 Jahren an, dass ein Vorschulkind unter der Berufstätigkeit der Mutter leidet.

Wie stark der kulturelle Einfluss ist, bestätigt mir Monika Köppl-Turyna. Sie hat 2021 im Auftrag der Julius Raab Stiftung eine Studie zu „Frühkindliche Betreuung und Bildung“ durchgeführt. Vor allem am Beispiel Dänemark ist ihr aufgefallen, dass dort Kinderbetreuung in jungen Jahren als essenziell wahrgenommen wird. Dänen sehen die Elementarpädagogik als wichtige Vorbereitung auf das spätere Schulleben und als relevant für die Sozialisierung der Kinder. Somit wird es in Dänemark eher als ungewöhnlich wahrgenommen, wenn ein Kind im Alter von einem Jahr noch nicht in Betreuung ist. In Österreich ist häufig das Gegenteil der Fall.

„Ich finde es gut, dass Betriebe das selbst in die Hand nehmen, aber das kann ja nicht die Lösung sein. Wir sehen, dass eine großflächigere Betreuung viele positive Effekte mit sich bringt.“``
- Monika Köppl-Turyna -

Österreich bei Kinderbetreuung unter den Schlusslichtern im europäischen Vergleich

Im Rahmen der Studie wurden noch weitere Länder mit Österreich verglichen. Neben Dänemark auch Deutschland sowie Frankreich. Und obwohl die Länder aus wirtschaftlicher Sicht vergleichbar sind, hinkt die Infrastruktur der Kinderbetreuung in Österreich weit hinterher. So haben in allen anderen Ländern Eltern einen höheren Anspruch auf Kinderbetreuung und es sind großflächigere Möglichkeiten der Betreuung vorhanden. In Dänemark etwa dürfen die Kosten der Kinderbetreuung für die Eltern nicht mehr als 25% der Betriebskosten betragen und sind zudem sozial gestaffelt. So eine soziale Staffelung sieht Monika Köppl-Turyna für Österreich ebenfalls als erstrebenswert an. Ein häufig genannter Kritikpunkt an Österreich ist, dass die Qualität nicht (konstant) hoch ist. Hier wünscht sich Monika Köppl-Turyna, dass die Qualität angehoben wird und mehr in frühkindliche Betreuung investiert wird.

Auch für Betriebe wird vorhandene Kinderbetreuung immer wichtiger, denn es fehlt ihnen oft an Fachkräften. Die Gründung eines Betriebskindergartens ist in Österreich im Moment schwierig. Laut Monika Köppl-Turyna greifen Betriebe aktuell daher eher auf die Option einer Betriebs-Tagesmutter zurück. Alternativ gehen Unternehmen in ländlichen Regionen sogenannte „Public-Private-Partnerships“ ein und partizipieren an den Kosten der öffentlichen Kinderbetreuung, um so mehr Plätze zu schaffen. Grundsätzlich ein guter Ansatz, jedoch hebt Monika Köppl-Turyna hervor: „Ich finde es gut, dass Betriebe das selbst in die Hand nehmen, aber das kann ja nicht die Lösung sein. Wir sehen, dass eine großflächigere Betreuung viele positive Effekte mit sich bringt.“

Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze

Es ist natürlich begrüßenswert, wenn Privatpersonen und Unternehmen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sorgen. Dennoch sieht Monika Köppl-Turyna vor allem den Staat in der Verantwortung, hier ein breiteres und qualitativ hochwertiges Angebot zu schaffen.

In unserem Interview schlägt sie einerseits vor, dass der Staat mehr Anreize für Betriebe schafft. Das kann etwa sein, dass Arbeitgeber*innen steuerfrei die Arbeitnehmer*innen für Betreuung zahlen. Ein weiterer Vorschlag ist, dass die Förderung an das Kind gebunden ist und nicht an die Einrichtung. Damit wäre eine höhere Flexibilität gegeben, da die Finanzierung auch für Privatkindergärten und Tageseltern gelten würde oder für Betreuungseinrichtungen in anderen Gemeinden. Für kleine Gemeinden ist es kostenintensiv, einen eigenen Kindergarten zu gründen und noch dazu lange Betreuungszeiten anzubieten. Gemeindekooperationen werden zudem aktuell kaum gefördert, auch damit könnte man den Ausbau der Kinderbetreuung vorantreiben.

Zusätzlich zu diesen Handlungsempfehlungen wird im Agenda Austria Paper „Der Motherhood Pay Gap“ empfohlen, die Karenzzeiten auf ein Jahr pro Partner*in zu kürzen. Diese Karenzzeit soll nicht übertragbar sein und verfällt somit, wenn sie nicht in Anspruch genommen wird. Zudem wird vorgeschlagen, dass man in der Karenz mehr dazu verdienen darf. Monika Köppl-Turyna erklärt in unserem Interview, dass Österreich eine absolute Ausnahme bei der Länge der Karenzzeiten ist. Während es sicher gut gemeint ist, ist es schwierig, nach zum Beispiel erst drei Jahren wieder in den Beruf zurückzukehren und es entsteht eine Spirale.

Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Verbesserungsbedarf sieht sie auch bei kleinen Dingen. Das Karenzmodell wird nach wie vor oft „12+2“ genannt. Aber warum eigentlich? Daraus schließen viele, dass die Mutter zwölf Monate in Karenz geht und der Vater zwei. Eine Umbenennung auf „6+6“ wäre eine einfache Änderung und hätte schon einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung.

Zudem empfiehlt sie, mehr Anreize für Väter zu schaffen und die Möglichkeit einer Kombination der unterschiedlichen Karenzmodelle. Wenn Familien das zweite Kind kurz nach dem ersten Kind bekommen und die Frau in Karenz war, ist das einkommensabhängige Karenzmodell meistens nicht attraktiv für die Mutter. Oft wäre es in solchen Situationen finanziell besser, wenn die Mutter das pauschale Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehmen könnte und der Vater das einkommensabhängige. Mit solchen Möglichkeiten wird der Anteil der Väter in Karenz erhöht und gleichzeitig die Berufstätigkeit der Mutter, was langfristig für mehr Balance sorgt. In Skandinavien ist ein größerer Teil der Karenzzeit für die Väter reserviert, der ansonsten verfällt. Dadurch wird die Karenz von so gut wie allen Männern in Anspruch genommen.

Eine weitere gut gemeinte Regelung, die langfristig oft finanzielle Nachteile für Frauen bringt, ist die Elternteilzeit. Dadurch wird Teilzeitarbeit lange gefördert, was wiederum in niedrigen Einnahmen der Frauen und Altersarmut münden kann.

Pensionssplitting als Teil der Lösung

Selbst ein wenig entgegenwirken kann man unter anderem mit dem so genannten Pensionssplitting, bei dem ein Teil der Pension an den/die Partner*in übertragen werden kann. Im Jahr 2019 gab es 583 Fälle, im selben Jahr wurden 84.952 Kinder geboren. 2019 waren 74,3% der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren in Teilzeit beschäftigt. Den Großteil der unbezahlten Familienarbeit übernehmen nach wie vor Frauen. Mit der neuen Pensionsregelung benötigt man 45 Versicherungsjahre um 80% des durchschnittlichen Lebenseinkommens zu erhalten.

In Österreich sind 68% der Bezieher*innen der oft Mindestpension genannten Ausgleichszulage Frauen. Das bedeutet als alleinstehende Person ungefähr 1.000€ brutto pro Monat. Davon werden noch Steuern abgezogen, wodurch die Netto-Pension auf etwas mehr als 900€ reduziert wird. Kennst du deine zu erwartende Pension? Wenn nicht, empfehle ich dir noch heute auf dein Pensionskonto zu schauen, um nicht in der Altersarmut aufzuwachen. Dort kannst du beim Pensionskontorechner deine fiktive Pension berechnen. Weitere Tipps, um deine Pensionslücke zu schließen, findest du hier.

Infografik Pensionslücke

Wieso wir den „Motherhood Pay Gap“ schließen müssen

Es gibt viele Gründe, die dazu führen, dass der Motherhood Pay Gap existiert. Daher muss auch an verschiedenen Schrauben gedreht werden, damit dieser schrumpft. Wie wichtig es ist, diese Lücke aufzuheben, sieht man an Daten und den daraus resultierenden Schicksalen.

Ideen und Handlungsempfehlungen gibt es viele – von Monika Köppl-Turyna. Von verschiedenen Institutionen und Expert*innen. Wichtig ist, dass der Staat endlich handelt. Denn eines ist klar: Für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen und ein wirtschaftlich kompetitives Österreich ist es essenziell, dass Mütter arbeiten können und dürfen.

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